Seiden, Teufelszwirn |

Blüten der Nessel-Seide (Cuscuta
europaea)

Habitus der Nessel-Seide
1743 beschrieb Linné die Gattung in seinem Werk Genera Plantarum. Die Etymologie des wissenschaftlichen Namens ist nicht geklärt. Man vermutet eine Herleitung aus dem arabischen Raum. Der deutsche Name bezieht sich auf den fadenförmigen Habitus – die parasitischen Pflanzen besitzen weder Wurzeln noch Blätter.
Die um die 170 Arten enthaltende Gattung besteht aus einjährigen, vollparasitischen Kräutern. Die fadenförmigen, schlanken, grünlichen, gelblichen, bräunlichen oder rötlichen, wurzellosen Stängel sind linkswindend und bilden sog. Haustorien, mit deren Hilfe sie ihren Wirtspflanzen Nährstoffe entziehen. Die Blätter sind zu winzigen, häutigen Schuppen reduziert.
Die kurz gestielten oder sitzenden Blüten stehen in Gruppen zusammen oder sind Köpfchen oder rispenartig angeordnet. Die weißen, creme- oder rosafarbenen Kronblätter sind zu einer 4 bis 5-lappigen Kronröhre verwachsen. Am Grund der Röhre, an der Innenseite jedes Kronblatts, befindet sich meist eine kleine, häutige, gefranste oder fein gekerbte Schuppe, die zusammen einen ringförmigen Wulst am Blütengrund bilden, der die Blüte mehr oder weniger verschließen kann. Die meist fleischigen Kelchblätter sind am Grund miteinander verwachsen oder frei.
Es kommen
stets so viele Staubblätter wie Kronblätter vor. Sie inserieren am
Grund der Blüte oberhalb des ringförmigen Wulstes zwischen den
Kronblättern. Die Staubblätter sind entweder sitzend oder stehen auf
einem Staubfaden. Die 1–2 Griffel tragen eine kopfige oder längliche
Narbe. Nach Selbst- oder Insektenbestäubung bildet sich aus dem aus
zwei Fruchtblättern verwachsenen, oberständigen Fruchtknoten eine 1-
bis 4-samige Kapselfrucht, die entweder geschlossen bleibt oder sich
auf vielfache Art und Weise öffnen kann. Die Samen sind kahl und rau
und besitzen je nach Art unterschiedliche Größen.
| Blütenformel: |
| * K(4-5) oder K4-5 [C(4-5) A4-5] G(2) oberständig |
Biologie
Seiden entwickeln sich stets aus Samen, die im Frühling nahe der Bodenoberfläche keimen. Es werden keine Keimblätter gebildet, jedoch eine dünne Wurzel, die abstirbt, sobald eine Wirtspflanze gefunden wurde. Während des Wachstums rotiert der blattlose Stängel (Zirkumnutationsbewegungen), bis er auf eine Wirtspflanze trifft. Der Keimling ist in der Lage, auf chemische Duftstoffe zu reagieren, die von seinem potentiellen Wirt abgegeben werden. Findet er keinen, stirbt er nach ein paar Tagen ab.
Nach einem erfolgreichen Wirtskontakt bildet der Spross Haustorien (Saugwurzeln) aus, die in den Stängel oder in die Blätter eindringen und der Pflanze Wasser und lösliche Assimilate entziehen. Der Spross, der nur noch Spuren von Chlorophyll besitzt, wächst sehr schnell, während er sich linkswindend um den Wirt wickelt und mitunter ineinander verflochtene Haufen bildet. Einige Cuscuta-Arten sind nicht besonders wirtsspezifisch, sondern können verschiedene Pflanzen befallen.
Historische Veröffentlichungen
Leonhart Fuchs (1501–1566) schrieb über Cuscuta epilinum (Flachs-Seide), das Verworrene Filzkraut würde auch Flachßseiden oder Dotter genannt. Die Griechen würden es Cassytha nennen, die Araber Casuth. In Apotheken hieße es Cuscuta. Das Filzkraut sei wurzellos, habe kein Blatt und gleiche einem verwirrten Garn. Die Blüten seien weiß. Das Kraut in Wein gekocht öffne Verstopfungen der Leber und der Milz und wirke harntreibend.
Dioskurides (1.
Jh. n. Chr.)
berichtete vom Epithymon (Blüten der
Quendel-Seide, Cuscuta epithymum),
es würde von einigen Kedoïs und von den Römern Involucrum
genannt. Mit
Honig getrunken wirke es purgierend und sei ein gutes Mittel gegen
Melancholie und Blähungen, wenn es zusätzlich mit Salz und Essig
aufgenommen würde.
Plinius (ca. 23–79 n. Chr.) schrieb, es gäbe ein Kraut in Syrien, dass Cadytas genannt werde. Es schlinge sich um Bäume und um Dornen. Weiterhin erwähnte er ein Kraut namens Hirsetod, das Hirse ersticken würde.
Bedeutung des Artnamens
- europaea: lat. europaeus = europäisch
Interessantes am Rande
Die Klee-Seide (Cuscuta epithymum subsp. trifolii) kann großen wirtschaftlichen Schaden anrichten, denn sie befällt Futterpflanzen wie Klee oder Luzerne.
Die Wirtspflanzen der Nessel-Seide sind u.a. die Große Brennnessel, Hopfen, Kartoffeln und der Gewöhnliche Beifuß.
Seiden können durch die Haustorien microRNAs in den Wirt einschleusen, die z. B. die Synthese von Wirtsproteinen, die den Nährstoffstrom verlangsamen, inhibieren.