Lattiche |

Habitus des Kompass-Lattichs

Die Stacheln auf der Blattunterseite entlang des Mittelnervs sind typisch für die Gattung
Die ca. 60 Arten umfassende, hauptsächlich in Eurasien und Nordamerika verbreitete, aber auch in Afrika und Australien vorkommende Gattung besteht, abgesehen von einer strauchförmigen Art, aus ein- oder zweijährigen, Milchsaft führenden Kräutern mit Pfahlwurzel oder Rhizom. Die verzweigten Stängel sind meist spiralig beblättert. Die grund- und stängelständigen Blätter sind einfach oder fiederteilig, ganzrandig oder gezähnt und unterseits oft mit steifen Borsten auf der Mittelrippe versehen. Die gestielten oder sitzenden Stängelblätter sind an der Basis häufig geöhrt. Die oberen sind oft schuppenförmig.
Die ausschließlich aus mindestens 6 zwittrigen, 5-zähnigen, gelben, blauen oder weißlichen Zungenblüten bestehenden Blütenkörbe stehen einzeln am Ende des Stängels oder sind in schirmtrauben- oder traubenförmigen Blütenständen versammelt. Der grubige Körbchenboden ist flach bis gewölbt, kahl und ohne Spreublätter. Die glocken- oder röhrenförmige Hülle besteht aus mehreren Kreisen von linealischen bis lanzettlichen, manchmal hautrandigen Hüllblättern, wobei die in den äußeren Kreisen oft eine Außenhülle bilden, indem sie deutlich kürzer sind und eine dreieckige Form besitzen. Bei einigen Arten gehen sie aber in die inneren, oft viel längeren Hüllblätter über.
Nach Selbst- oder Insektenbestäubung bilden sich abgeflachte, ovale bis längliche, meist geschnäbelte Nussfrüchte (Achänen), die auf beiden Seiten bis zu 9 Rippen oder Flügel aufweisen. Der der Frucht aufsitzende Flugapparat (Pappus) besteht entweder aus einem oder zwei Kreisen weißlicher oder gelblicher Borsten, der manchmal von einem äußeren Kreis kurzer Borsten umgeben wird. Bei manchen Arten besteht er ausschließlich aus zwei bis mehreren Reihen gleichgestalteter Borsten. Der Pappus steht auf einer kleinen Scheibe an der Spitze des Schnabels.
Blütenformel: |
↓ K=Pappus [C(5) A5(verklebt)] G(2) unterständig |
Lattiche sind leicht mit dem Mauerlattich (Mycelis muralis) oder den Gänsedisteln (Sonchus) zu verwechseln, doch zeigen diese keine borstige Behaarung auf der Mittelrippe der Blattunterseite. Der Mauerlattich besitzt zudem nur 5 Zungenblüten pro Kopf, Lattiche besitzen meist deutlich mehr.
Historische Veröffentlichungen
Bereits Theophrast (371–287 v. Chr.) waren 4 unterschiedliche Sorten des Gartenlattichs bekannt: Der weiße sei süßer und zarter, der flachstielige würde dazu benutzt, Rankgitter zu flechten, der rundstielige enthalte viel Milchsaft und würde der Wildart ähneln und der lakonische besäße Blätter ähnlich einer Golddistel.
Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) schrieb über den Gartenlattich (Thridax), er würde von den Römern Lactuca genannt. Seine Samen würden den Geschlechtstrieb senken. Häufig gegessen schwäche er die Sehkraft. Der wilde Lattich (Lactuca serriola) schmecke bitterer. Sein Saft würde häufig mit Opium vermischt und sei in der Wirkung ähnlich.
Plinius (ca. 23–79 n. Chr.) berichtete, die Griechen würden 3 Arten des Lattichs kennen, präzise Gärtner unterschieden jedoch bis zu 6. Die schlechteste, weil sehr bittere Art würde Picris genannt. Eine andere Art würde man Meconis nennen, da der Milchsaft den Schlaf fördere (Meconium war die damals übliche Bezeichnung für Opium). Seine Vorfahren hätten sie Lactuca genannt, aufgrund des enthaltenen Milchsaftes.
Hildegard von Bingen (1098–1179) schrieb über die „Stachellattiche" (Lactuca serriola), sie würden die Begierde auslöschen. Männern und Frauen, die enthaltsam leben wollen, empfahl sie ein heißes Bad, in dessen Wasser das Kraut gekocht wurde. Die ausgekochte Pflanze selbst sollte auf die Lenden bzw. auf den Bauchnabel aufgelegt werden. Vom Genuss des Giftlattichs (Lactuca virosa) riet sie dringend ab. Es sei ein Unkraut, das roh oder gekocht wahnsinnig machen würde.
Leonhart Fuchs (1501–1566) unterschied drei zahme und eine wilde Art des Lattichs. Den Gartenlattich gäbe es in mindestens drei Sorten: Die erste besäße krause, runzlige, gefaltete und zusammengeneigte Blätter und entspricht wohl in etwa unserem Kopfsalat. Die zweite Sorte besäße große runde Blätter. Die dritte Sorte trüge große und breite Blätter. Die wilde Art beschreibt den Kompass-Lattich (Lactuca serriola).
Bedeutung der Artnamen
- serriola: nicht eindeutig geklärt, evtl. von lat. serra (Säge) bzw. serrula (kleine Säge), was sich auf die bestachelten Mittelnerven beziehen könnte.
- integrifolia: lat. integrifolius = mit ungeteilten Blättern.
Nutzpflanzen
Vom Gartenlattich (Lactuca sativa) existieren verschiedene Sorten und Varietäten. Neben dem Kopfsalat (Lactuca sativa var. capitata) gibt es verschiedene Pflücksalate (Lactuca sativa var. crispa) wie Lollo rosso oder Eichblattsalat. Romana-Salat heißt wissenschaftlich Lactuca sativa var. longifolia. Eine chinesische Varietät bildet Lactuca sativa var. angustana, die auch als Spargelsalat gehandelt wird, da die Stängel wie Spargel zubereitet werden können. Sorten mit geschlossenen, an Kohlköpfe erinnernde Salate, werden Eissalat oder Eisbergsalat genannt.
Interessantes am Rande
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Kompass-Lattich ist vermutlich die Wildform des Gartensalats und lässt sich mit diesem kreuzen. Seinen Namen bekam er, da er seine Blattränder an sonnigen Standorten in Nord-Süd-Stellung dreht.
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Aus dem Milchsaft des Gartensalats wurde früher eine Droge namens Thridax hergestellt, die den Geschlechtstrieb mindern und gegen Schmerzen und Einschlafstörungen helfen sollte.
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Eine Ähnliche Droge, Lactuarium, wurde aus dem Milchsaft des Giftlattichs hergestellt und soll geraucht ähnlich wie Opium wirken.